19.01.2012

Ein verkorkstes Leben

Von Montag bis heute fand der zweite Block vom "Training Sozialer Kompetenzen" im Rahmen meiner Ausbildung statt. Wir an diesen vier Tagen spannende, interessante, lehrreiche und lustige Sachen gemacht.
Höhepunkt für mich war heute der Besuch des Landgerichts hier in Duisburg. Nach einiger Sucherei und Warterei haben wir ab etwa 11.15 Uhr einer Verhandlung in einer Jugendstrafsache beigewohnt.
Es handelte sich dabei um eine Berufungsverhandlung in einer vom Amtsgericht in Dinslaken gettroffenen Entscheidung.
Auf der Anklagebank saß ein junger Mann von 19 Jahren. Die Verhandlung lief bereits seit 9.00 Uhr, so dass wir schon einiges verpasst hatten. Als wir den Saal betraten, lief gerade noch die Vernehmung einer Zeugin. Im Anschluß wurde der Angeklagte vom Richter und vom Staatsanwalt befragt. Der genaue Tathergang wurde für uns erst im Laufe der Verhandlung nach und nach klar. Vom Richter wurden vorhergehende Urteile, die gegen den jungen Mann bereits ausgesprochen waren, verlesen, so dass sich eine ganze Latte von Vergehen und Straftaten offenbarte. Wie man erfuhr, sitzt der Angeklagte bereits seit knapp zehn Monaten in Jugendhaft.
Die ihm vorgeworfenen und auch schon bewiesenen Taten in der Vegangenheit umfassten Körperverletzung, Sachbeschädigung, Diebstahl etc. Bereits seit frühester Jugend war er mit diversen Drogen in Kontakt und hatte mehrere Schulwechsel aufgrund von Problemen mit Mitschülern und Lehrern hinter sich.
Laut Aussage des Richters stammte der junge Mann aus schwierigen familiären Verhältnissen, er ist das sechste und jüngste Kind der Familie.

Letztendlich wurde die Berufung zurückgewiesen und die Strafe auf insgesamt zwei Jahre Jugendstrafe festgelegt.

Ich fand es sehr interessant, mal eine solche Verhandlung "in echt" mitzuerleben. Parallalen zu diversen Fernsehsendungen gibt es, aber die Sitzungen laufen wohl in der Regel weniger dramatisch und überraschend ab. Imponiert hat mit der Oberstaatsanwalt, der sein Abschlußplädoyer mit Verve, Inbrunst und Humor hielt. Währenddesen hatte sein Gegenüber als Rechtsanwalt kaum Kontakt zu seinem Mandanten und hielt sein Plädoyer auf die Rückenlehne des Stuhls gestützt und mit wenig Motivation - wahrscheinlich war ihm klar, dass aufgrund der Faktenlage sein Antrag auf Freispruch keine Aussicht auf Erfolg haben würde.

Im Gericht herrschte eine ganz besondere Atmosphäre und es hat mich betroffen, wie ein so junger Mensch sein Leben bereits so verpfuscht haben kann. In dem Milieu, in dem ich als relativ normaler Mensch lebe, bekommt man solche Schicksale sonst nur aus der Ferne oder aus der Zeitung mit. Es ist ein ganz anderer Teil der Gesellschaft, der dort betroffen ist und es war für mich interessant und lehrreich, so etwas mal zu sehen.
Ein wenig unwohl habe ich mich aber doch gefühlt, zumal wir verspätet den Saal betraten und augenscheinlich auch Angehörige des Angeklagten anwesend waren, denen wohl ein so großes Publikum (immerhin waren alleine wir vierzehn Leute) nicht gerade angenehm gewesen sein wird.

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