31.05.2010

Köhlers Rücktritt und die Folgen

Als erster Bundespräsident in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat Horst Köhler heute völlig überraschend seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds, das erste Staatsoberhaupt nach 1945, das kein Berufspolitiker ist, war seit 2004 im Amt.

Der Rücktritt war die Reaktion auf die Kritik der Politik an seinen Äußerungen in einem Radiointerview für den Deutschlandfunk am 22. Mai, in dem er sinngemäß ausgesagt hatte, die Bundeswehr müsse im Ausland auch für die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen der Bundesrepublik eingesetzt werden.

Die darauffolgende Kritik nahm Köhler nun zum Anlass, seinen Rücktritt zu erklären. Seine Frau war während der Ansprache an seiner Seite und der scheidende Bundespräsident war den Tränen nahe.

Er war - anders als die meister seiner Vorgänger - ein unbequemer Bundespräsident, der auch schonmal die Unterschrift unter ein Gesetz verweigerte und damit eine Nachbesserung erzwang. Beim Volk war er beliebt. Seine erste Amtszeit war sehr erfolgreich, seine Wiederwahl gelang nur mit Mühe und das erste Jahr der zweiten Amtszeit konnte nicht an die erste Periode anknüpfen.

Man könnte meinen, der Bundespräsident müsse eine derartige Kritik aushalten können und ich persönlich halte den sofortigen Rücktritt auch für überzogen.
Bundeswirtschaftsminister Brüderle (FDP) brachte es heute in einem Interview für das ZDF auf den Punkt: Die Regierung, Kanzlerin und Minister seien derartige Kritik gewöhnt, es gehöre zum politischen Tagesgeschehen. Der Bundespräsident aber sei aus der tagesaktuellen politischen Diskussion herauszuhalten, seine Äußerungen dürfe man ob der besonderes Stellung des Bundespräsidenten nicht in dieser Weise kritisieren. Brüderle zog den Vergleich mit dem Bundesverfassungsgericht, dessen Entscheidungen endgültig seien (und es auch sind), auch darüber diskutiere man nicht.

Wie geht es nun weiter?

Zunächst übernimmt der Bremer Oberbürgermeister Böhrnsen die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten. Er tut dies in seiner Funtktion als derzeitiger Präsident des Bundesrates, wie es Artikel 57 des Grundgesetzes vorsieht.

Eine Neuwahl des Bundespräsidenten muss (nach Artikel 54 Absatz 4 des Grundgesetzes) innerhalb von 30 Tagen stattfinden, also spätestens am 30. Juni 2010. Gewählt wird der neue Präsident durch die Bundesversammlung, die aus den Mitgliedern des Bundestages und ebensovielen Vertretern der Länder besteht. (Art. 54 Abs. 3 GG).

Der Rücktritt eines Bundespräsidenten ist ein bisher einmaliger Fall, alle vorherigen Bundespräsidenten waren jeweils volle Amtszeiten im Amt.

Wer der neue Bundespräsident oder die neue Bundespräsidenten wird, darüber wird sicherlich in den nächsten Tagen und eventuell auch Wochen diskutiert werden. Aber vielleicht schaffen es die Parteien auch schnell, sich auf Kandidaten festzulegen.

Personen, die ich nicht gern als Bundespräsident sehen würde, fallen mir spontan viele ein. Bei Männern oder Frauen, die ich befürworten würde, sieht es schon schwieriger aus. Vorstellen könnte ich mir beispielsweise Hans-Jürgen Papier, den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes oder auch Bundestagspräsident Norbert Lammert. Aber vielleicht wird es auch jemand, der bisher völlig außerhalb der Politik steht.

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